Unser Haus in Tatlisu

Beschreibung

Unser Haus

Unser Haus ist in seiner Substanz eines der älteren und liegt mitten im Dorf.

Von gestampftem Lehm mit Stroh vermischt, über Feldsteine, behauene Steine, Ziegel und Stahlbetonpfeiler findet man einen Querschnitt durch die Baugeschichte. Es gibt ein paar landestypische Rundbögen und teils urtümliche Decken aus Baumstämmchen mit Schilfmatten darüber.

Im Erdgeschoß ist ein großes Wohnzimmer in dem noch ein Bett für Schnarcher steht, daneben ein Schlafzimmer für Gäste mit Doppelbett und einem großen Schrank und anschließend ein Duschraum dahinter die Toilette.

Der Innenhof ist sehr privat und nur teilweise einsehbar, falls die Nachbarin auf ihrem Dach die Wäsche aufhängt.

Über den Innenhof fünf Stufen hoch kommt man in die Wohnküche.

Hinter der Küche zum Garten ist die Frühstücksterrasse. Um die Ecke eine zweite Toilette.

Im Obergeschoß ist ein zweites großes Schlafzimmer, das wir, wenn wir da sind, selbst nutzen. So kann das Haus von zwei Paaren oder einer großen Familie entspannt bewohnt werden.

Von den oberen Terrassen und Flachdächern haben sie einen fast Rundumblick über Berge und Meer.

Geschichte

so fanden wir das Haus vor

Kyrenia/Girne – der schönste Hafen im östlichen Mittelmeer – hat mich ursprünglich nach Zypern gelockt. Dort verbrachte ich die ersten Jahre, anfangs in einer Absteige direkt hinter dem Hafen, später habe ich meine zwei, drei Wochen im Herbst und Frühjahr bei zypriotischen Fischern, Ureinwohnern von Kyrenia, gelebt.

Aber wo war das erträumte Appartement, oder Haus? Etwas kaufen, selbst bauen? In Kyrenia oder außerhalb? Nach Westen Richtung Lapta, und oberhalb nach Bellapais ist man bis in die fünfziger Jahre gezogen. (In Bittere Limonen beschreibt Lawrence Durrell, wie er in Bellapais ein altes Haus gekauft und dann ausgebaut hat. Hihi, in Teilen der Story erkenne ich mich wieder.)

Also Richtung Osten, aber schnell wurde mir klar, dass der Bauboom zwischen 1995 und 2005 die Landschaft bis kurz vor Tatlisu gefressen hatte, von dort bis Karpaz ist es, im Verhältnis dazu, immer noch menschenleer.

Durch Zufall lernte ich beim Billardspielen einen Zyprioten kennen, der sein Haus in Tatlisu um lumpige zweieinhalb Phantastilliarden an mich verschleudern wollte. Mit Hilfe eines zypriotischen Anwalts aus Kyrenia, haben wir uns dann auf ein Auto der Mittelklasse geeinigt. Wichtig! Das Haus habe ich mit Zyprioten, von Zyprioten gekauft, die es von Zyprioten erworben hatten. Auch im unwahrscheinlichen Fall einer Wiedervereinigung, stehen bei mir keine Griechen vor der Tür und winken mit einem Grundbucheintrag von vor 1974.

Die Nachbarn

Nachbarn im Hof

Zum Glück haben die Nachbarn Gülistan (Rosenland) und Mustafa (Erlauchter) Yildiz (Stern) den exotischen Vogel, der in der völlig leergeräumten Halbruine gegenüber wohnen wollte, umstandslos adoptiert. Vom ersten Tag an wurde ich gefüttert, meine Isomatte gegen eine Matratze ausgetauscht, meine Wäsche gewaschen und ich war einer vom Yildiz-Clan. Dafür habe ich Mustafa ins Tal zu seinen Schafen gefahren. Mandrataxi (Mandra=Milchhof). Oberhalb wohnen Irep (??) und Arif (der Kundige) Ates (Brand). Um die Ecke Sengül (Rosengleich) und Ali Bulut (Wolke), die Schneider. Zwei unverheiratete Yildiz-Söhne wohnen noch zu Hause, der Rest der neun Kinder ist nicht weit.
Gülistan hat hinter unserer Küche einen kleinen Gemüsegarten angelegt. Dafür soll sie – inch´Allah – den restlichen Garten mitwässern. Eine Aufgabe, die sie, solange sie da sind, übernehmen können.

Umgang mit Einheimischen

Männerrunde

Die Dörfler werden mit ihnen gelegentlich Kontakt suchen. In deren Welt sind sie ´ne Art Schwippschwager – also „enge“ Verwandte – von Uli. Wenn sie Lust haben, gehen sie auf das Spiel ein. Wenn nicht, merken die schnell, dass sie ihre Ruhe haben wollen. In Großfamilien aufgewachsen hat man dafür ein feines Näschen.
Unser ganzer „Besuchsverkehr“ spielt sich über die Küchenterrasse bis Küche ab. Den Innenhof nutzen wir – ausgenommen bei Parties – rein privat. Und keine Sorge, wenn man abends noch mit Leuten rumsitzt, bei der Geste Schlafengehen (yatak=Bett), stehen alle umstandslos auf und sind verschwunden.

Türken sind Handgeber wie Deutsche. Männer mit Männern, Frauen mit Frauen. Männer geben Frauen nur die Hand, wenn jene den ersten Schritt machen.

Wangenkuss: Meine Frau küsst Gülistan, Mustafa und die Töchter, ich Gülistan, Mustafa und die Söhne. Küsst man die Hand und führt sie dann zur Stirn und der Andere lässt dies zu, steht man unter seinem Schutz. Die Dorfkinder leiern auf die Tour Bonbons aus mir raus. Bauern schlagen, wie Böcke, eher die Schläfen gegeneinander. Städter küssen die Luft neben dem Ohr. Lassen sie die Küsserei lieber bleiben, wenn sie nicht explizit dazu aufgefordert werden.

In die Augen schauen gilt als aufdringlich, dem andern Geschlecht gegenüber als Anmache.

Männer haben keinerlei Scheu vor Körperkontakt untereinander. Mann geht auch mal Händchen haltend ins Café. Für die etepetete, homophoben Engländer der Horror.

Wie bei allen Asiaten hustet, schnäuzt oder nießt man nicht in Gesellschaft. Sie werden eine Lösung finden. Dagegen ist Nase hochziehen und Aufstoßen nach gutem Essen in Massen erlaubt.

Wird man privat zum Essen eingeladen, heißt Kaffee oder Tee: Jetzt noch etwas plaudern, eine Zigarette und dann tschüss. Man sagt zum Schluss zu Köchin oder Koch "eline salik" – gesegnet seien deine Hände. (el=Hand , sag=Wohl).

In Zypern wird, auch auf dem Markt, nicht gehandelt.

Für Türken ist Familie, was für Engländer das Wetter ist. Erzählen sie wildfremden Menschen an der Bushaltestelle, wie viele Kinder sie haben. Endlich mal ein Alman der was von türkischem Smalltalk versteht.